Münchner Kindl – verschoben auf den nächstmöglichen Zeitpunkt

Von Franz Xaver Kroetz

München. Metropole aus Gold. Mit Tradition. Humpdada. A schmoicher Arsch hat überall Platz, sagt die Oma, aber in München hat die Garantie für ein Dach überm Kopf nichts mehr damit zu tun, wie breit des eigene Gesäß ist, sondern wie dick der Geldbeutel.

Bereits 1975 nimmt Franz Xaver Kroetz dieses Thema zum Anlass, um eine Ballade zu schreiben: das Münchner Kindl. Eine Collage, ein Pamphlet, eine Wutscgenhrift. Über Verdrängung, Besitz, Bodenreform und Mietpreiswucher in München.

Fast ein halbes Jahrhundert später hat sich erschreckend wenig geändert. Hans-Jochen Vogel, ehemaliger Bürgermeister Münchens, kämpft immer noch um die Reformierung des Grund und Boden Rechts. Der Preis für Bauland in München hat sich in der Zeit von 1950 bis 2015 um 34263 Prozent erhöht. München fehlen mehr und mehr die Fachkräfte, die sich das Leben in der goldenen Stadt nicht mehr leisten können, Krankenhausstationen müssen schließen, die Zahl der Obdachlosen steigt. Mieter werden immer noch aus ihren Wohnungen gedrängt, um für Luxussanierungen Platz zu machen, und auch aus deren zweiten Wohnzimmern: der Boazn. Auch das Kneipensterben ist Resultat der fortschreitenden Gentrifizierung.

Das Regiekollektiv Quodlux.lux (Münchner Schauspielerin Sofie Gross und Rosenheimer Regisseurin Cornelia Maschner) inszeniert das Münchner Kindl neu recherchiert als Stubenspiel. Da kommt die Rentnerin Klara Oberhoff zu Wort, deren Besitz in einen Koffer passt, der Vermieter, der sich auch nur als Zinsknecht der Banken sieht, sowie der Herr von Finck (Senior), im Dritten Reich durch die Arisierung von jüdischen Banken zu noch mehr Geld gekommen als er eh schon besaß. Da wird hitzig diskutiert und monologisiert,  die Bilder an der Wand erzählen eigene Geschichten,  es wird Live-Musik gespielt, gesungen und getanzt. Auf und nieder immer wieder – solange man es sich leisten kann. Für zwei Wochen wird dasvinzenz zur Boazn und lässt damit einen Ort der im Sterben begriffen ist, für einen letzten Abend aufleben.

Mit: Marie-Therese Futterknecht, Katharina Leonore Goebel, David Lindermeier, Jochen Paletschek
Regie: Sofie Gross und Cornelia Maschner 

Bühne und Kostüme: Amelie Klimmeck; Dramaturgie: Barbara Kastner; Licht: Michael Bischoff; Regieassistenz: Jeremias Meyer;
Künstlerische Produktionsleitung: Robert Spitz/ Barbara Kastner; Aufführungsrechte:  Franz Xaver Kroetz;
Eine Produktion von dasvinzenz Eine Unternehmung des Inkunst e. V.
dasvinzenz wird gefördert vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München und vom Bezirksausschuss 09 Neuhausen-Nymphenburg

Die Vorstellungen werden auf den Herbst 2020 verschoben. Genauere Informationen folgen. 

Tickets zu 18.-€, erm. 12.- €
Ermäßigte Karten erhalten Menschen mit Behinderung, Schüler, Azubis und Studenten.